Sonntag, 27. November 2011

„SPD-Antrag: Hamburgs Schüler sollen Lehrer bewerten“ v. 21.11.2011 Aufmacher, Seite 1 Hamburger Abendblatt


Einen Aufmacher auf der ersten Seite war dem Hamburger Abendblatt das Thema Unterrichtsqualität wert, obwohl die geforderte Feedback-Kultur seit Jahren erklärtes Ziel von Pädagogik und Schulpolitik in Hamburg ist. Erst durch die Überschrift wird das Thema zu einem echten Aufmacher.

Diesmal war Lars Holster,stellvertretender Schulleiter einer Stadtteilschule und schon als Parlamentsneuling schulpolitischer Sprecher, der Glückliche, den der Anruf von Peter Ulrich Meyer ereilte. Meyer brauchte für sein politisches Anliegen einen persönlich-parlamentarischen Aufhänger, denn schließlich kann er nicht immer nur in Kommentaren seine eigene Meinung und die seines Verlagshauses direkt in seiner Zeitung transportieren.

Aber auch so ist dies ein schönes Beispiel für Medien-gestützte Bildungspolitik.

Was aber war Meyers wirkliche Botschaft?

Bei einem guten Journalisten findet man seine Kernaussage bisweilen wie hier im ersten Satz: „Der Streit um die richtige Schulstruktur war gestern.“

Meyers und seines Medienkonzerns Wunsch war hier der Vater des Gedankens.

Das Zwei-Säulen-Modell mit Gymnasien und Stadtteilschulen, auch Ergebnis so mancher Experten-Kommission hat so gravierende Mängel, das es zu gesellschaftlichem Sprengstoff werden kann.

Niemals werden beide Schultypen gleichwertige Vermittlungsleistungen erbringen, weil ihre Schüler- und Lehrerschaft zu unterschiedlich ist. Selbst wenn die Stadtteilschulen ganz früh „gymnasiale Züge“ schaffen, wie es sie auch an einigen Gesamtschulen gegeben hat, wird dies nicht der Fall sein.

Die Abiturnoten werden nicht entfernt vergleichbar sein, denn die Stadtteilschulen werden, um Abiturzüge zu bekommen, einfach sehr gut und unabhängig von gymnasialen Standards bewerten. Selbst wenn man einheitliche Abituranforderungen schaffen wollte und könnte, würden zweidrittel der Noten von Kurslehrern frei vergeben, meist nach dem Motto „Orientieren wir uns mal am Kursdurchschnitt.“

Identische Abiturnoten werden also niemals einem gleichartigen Leistungsniveau entsprechen.

Das hat übrigens auch Vorteile für die Schüler der Stadtteilschulen im Wettbewerb um Jobs und Studienplätze, denn die Schüler der Gymnasien müssen bei entsprechend größerer Konkurrenz für die gleiche Durchschnittsnote viel mehr leisten. Also könnte man theoretisch sein begabtes Kind gezielt auf eine Stadtteilschule, oder aber auch ein Laissez-faire-Gymnasium schicken, damit es dort eine wirklich gute Durchschnittsnote bekommt. Der Medizin-Studienplatz ist dann gesichert.

Eins von mehreren Problemen: wenn Jugendliche nicht gefordert werden, werden sie im wirklichen Leistungsvermögen schwächer sein.

Sobald wir genügend Funktionsträger in Behörde und Schule finden, die Schulen als ernstzunehmende Institutionen kompetent organisieren können, werden wir die Diskussion wieder aufnehmen müssen, denn das Problem der Durchlässigkeit stellt sich in Schule und Gesellschaft nach wie vor in aller Schärfe.

Wenn sie schlau sind, werden auch die vielen Eltern mit Migrationshintergrund dieses Thema zur Not gegen das Hamburger Abendblatt neu auf die Tagesordnung setzen.

Der obige Artikel ist übrigens auch ein gutes Beispiel für die Nähe von Politik und Journalismus

Donnerstag, 17. November 2011

AfB-Mitgliederversammlung am 24.5.2011, 19.00 Uhr , Kurt-Schumacher-Haus: Referent: Schulsenator Ties Rabe


Nach längerer Zeit wieder einmal eine Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Bildungsfragen Hamburg, die nach dem Ausscheiden von Rosemarie Raab als Vorsitzender, ehemalige Schulsenatorin der SPD, nicht mehr besonders hervorgetreten war.

Eine denkwürdige Sitzung:

Ein Gymnasiallehrer war SPD-Schulsenator geworden. Bis vor 10 Jahren ein völlig undenkbarer Vorgang. Zweifelfrei hat dieser Senator einen klareren Blick für die Probleme und Nebenfolgen von Reformen als einige seiner Vorgänger.

Nun gut, Rabe war vorher Journalist und Landesgeschäftsführer der SPD, also nicht ein typischer Mann aus dem Bildungssektor. Aber: Die Zeiten hatten sich gewandelt. Der Schulfrieden war ausgerufen worden, die Bemühungen um die sechsjährige Primarschule des Schwarz-grünen Senats wie auch von SPD und Linker waren grandios in einem Volksentscheid gescheitert. Angeblich soll nunmehr auch Unterricht und Leistung des Schulsystems mehr im Vordergrund stehen.

Apropo: Wer in der AfB, durchaus auch noch der der achtziger und neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts Leistung und empirische Wende befürwortete, musste schon mit emotionaler und politischer Ausgrenzung rechnen und bekam gegen die Schicki-Micki-Pädagogen kaum ein Bein auf die Erde. Er drohte nämlich die Kreise derer zu stören, die die z.T. abenteuerlichen Fehlleistungen ihrer Schulen und Schularten kasschierten und mit einem ideologischen Überbau schmückten und vernebelten. Und dies durchaus für sich selbst Karrierefördernd.

Es zeigte sich allerdings für den erfahrenen Betrachter, dass die AFB und auch die SPD sich bis heute noch mit der Diskussion eines Themas wie Inklusion schwer tut, da, wenn auch abgeschwächt, immer noch wohlmeinende Bekenntnisstärke und Gesinnungstüchtigkeit sowie ein gestörtes Verhältnis zur Realität vorherrschen dürften, die eine schonungslose Analyse der Folgen bestimmter Reformen nur sehr eingeschränkt erlauben.

Immerhin hat der neue Senator nun eine Arbeitsgruppe oder Abteilung für die Reformaufgabe Inklusion in der Behörde geschaffen. Warum ist dies nicht früher geschehen?

Die AfB hat immerhin, und das ist doch ein eher gutes Zeichen, die nächste Sitzung dem Thema Inklusion gewidmet.

Die Abteilung Berufsschulen hat nunmehr einen wortgewaltigen Abteilungsleiter gefunden, der einen längeren Vortrag mit allen wichtigen Versatzstücken der vorherrschenden Pädagogik emotional ansprechend schmücken kann.

Trotzdem sage ich dazu als Spielverderber: Müssten nicht auch die Berufsschulen einer Evaluation nach PISA-Maßstäben unterzogen werden, damit wir einmal wirklich sehen, wo unser hochgelobtes duales System eigentlich steht?

Denkwürdig war die Sitzung der AfB auch aus einem weiteren Grunde:

Ziemlich genau vor zehn Jahren war die Amtszeit des ersten Gymnasiallehrers zu Ende gegangen, der den Vorsitz der AfB übernehmen konnte.

Es hatte sich bereits lange vorher eine Gruppe von Gewerkschaftsvorsitzenden im obersten Stockwert des Kurt-Schumacher-Hauses getroffen, motiviert und mit Argumenten versehen durch ihre Ehefrauen, die Lehrerinnen waren. Sie gründeten die Initiative „Eine Schule für alle“, die schon vor der Initiative für die sechsjährige Primarschule scheitern sollte.

Nun war der damalige AfB-Vorstand, vertreten durch den Vorsitzenden Günter Pumm im Arbeitskreis Schule der Fraktion, von der Amtsführung der damaligen SPD-Schulsenatorin enttäuscht, die in diesem Arbeitskreis und auch sonst Zeichen von Überforderung zeigte. Da der damalige AfB-Vorstand früher als andere erkannte, dass die Wahl 2001 für die SPD verloren gehen würde, und sich in der Opposition eine Position wie die der Volksinitiative in der SPD durchsetzen würde, ging der Übergang zum nächsten Vorstand mit Gerhard Lein an der Spitze reibungslos von statten.

Einer der wenigen Verfechter des neuen Vorstands, der anwesend war: Peter Pape.

Vom Vorstand 1999-2001 nur der Vorsitzende.

Vom Vorstand ab 2001 keiner, auch kein weiterer ehemaliger AfB-Vorsitzender.

Man sieht, selbst die Hamburger Bildungs-und Schulgeschichte, schlägt überraschende Volten.

Heute in Zeiten des Schulfriedens bekräftige ich zum Schluss meine Position: Eine Schule für alle ist erstrebenswert. Allerdings eine so gewaltige Reform, dass sie angesichts der wohl immer noch im Schulbereich vorherrschenden Normen und Verhaltensmuster mit dem vorhandenen Personal in Schulen und Administration noch nicht machbar sein dürfte. Am schwersten dürfte die Umsetzung in den großen Städten sein. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass eine Generation von Pädagogen und Funktionsträgern kommt,vielleicht schon z.T. da ist, die ambitionierte pädagogische Ziele professionell mit der gesellschaftlichen und schulischen Realität vermitteln kann, dafür die angemessenen Rahmenbedingungen schafft und schulunverträgliche gesellschaftliche Verhaltensmuster nachhaltig zu verändern sucht.

Freitag, 14. Januar 2011

Hamburger Abendblatt 13.1.2010: Kommentar Peter Ulrich Meyer „Reifeprüfung bestanden“-Abiturquote

Verdienstvoll ist: Peter Ulrich Meyer und das Abendblatt kümmern sich noch um Schulpolitik.

Die Nachricht: Jeder zweite Schulabgänger in Hamburg macht Abitur.

Weniger verdienstvoll: Meyer möchte etwas unkompliziert die Abiturquote in Hamburg als Beleg für die Leistungsfähigkeit des Schulsystems und das Engagement der daran Beteiligten in Anspruch nehmen.

Peter Ulrich Meyer, mitverantwortlich für die unkritische mediale Begleitung der Hamburger Fehlentwicklungen in der Schulpolitik, u.a. durch die Inanspruchnahme der „falschen“ Experten, sieht sich wohl auch ein Stück weit moralisch-politisch unter Rechtfertigungsdruck.

Er hätte in seinem Kommentar die Frage aufnehmen müssen, mit welchen Mitteln eines der PISA-Schlusslichter zu dieser Abiturquote kommen kann.