Nach längerer Zeit wieder einmal eine Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Bildungsfragen Hamburg, die nach dem Ausscheiden von Rosemarie Raab als Vorsitzender, ehemalige Schulsenatorin der SPD, nicht mehr besonders hervorgetreten war.
Eine denkwürdige Sitzung:
Ein Gymnasiallehrer war SPD-Schulsenator geworden. Bis vor 10 Jahren ein völlig undenkbarer Vorgang. Zweifelfrei hat dieser Senator einen klareren Blick für die Probleme und Nebenfolgen von Reformen als einige seiner Vorgänger.
Nun gut, Rabe war vorher Journalist und Landesgeschäftsführer der SPD, also nicht ein typischer Mann aus dem Bildungssektor. Aber: Die Zeiten hatten sich gewandelt. Der Schulfrieden war ausgerufen worden, die Bemühungen um die sechsjährige Primarschule des Schwarz-grünen Senats wie auch von SPD und Linker waren grandios in einem Volksentscheid gescheitert. Angeblich soll nunmehr auch Unterricht und Leistung des Schulsystems mehr im Vordergrund stehen.
Apropo: Wer in der AfB, durchaus auch noch der der achtziger und neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts Leistung und empirische Wende befürwortete, musste schon mit emotionaler und politischer Ausgrenzung rechnen und bekam gegen die Schicki-Micki-Pädagogen kaum ein Bein auf die Erde. Er drohte nämlich die Kreise derer zu stören, die die z.T. abenteuerlichen Fehlleistungen ihrer Schulen und Schularten kasschierten und mit einem ideologischen Überbau schmückten und vernebelten. Und dies durchaus für sich selbst Karrierefördernd.
Es zeigte sich allerdings für den erfahrenen Betrachter, dass die AFB und auch die SPD sich bis heute noch mit der Diskussion eines Themas wie Inklusion schwer tut, da, wenn auch abgeschwächt, immer noch wohlmeinende Bekenntnisstärke und Gesinnungstüchtigkeit sowie ein gestörtes Verhältnis zur Realität vorherrschen dürften, die eine schonungslose Analyse der Folgen bestimmter Reformen nur sehr eingeschränkt erlauben.
Immerhin hat der neue Senator nun eine Arbeitsgruppe oder Abteilung für die Reformaufgabe Inklusion in der Behörde geschaffen. Warum ist dies nicht früher geschehen?
Die AfB hat immerhin, und das ist doch ein eher gutes Zeichen, die nächste Sitzung dem Thema Inklusion gewidmet.
Die Abteilung Berufsschulen hat nunmehr einen wortgewaltigen Abteilungsleiter gefunden, der einen längeren Vortrag mit allen wichtigen Versatzstücken der vorherrschenden Pädagogik emotional ansprechend schmücken kann.
Trotzdem sage ich dazu als Spielverderber: Müssten nicht auch die Berufsschulen einer Evaluation nach PISA-Maßstäben unterzogen werden, damit wir einmal wirklich sehen, wo unser hochgelobtes duales System eigentlich steht?
Denkwürdig war die Sitzung der AfB auch aus einem weiteren Grunde:
Ziemlich genau vor zehn Jahren war die Amtszeit des ersten Gymnasiallehrers zu Ende gegangen, der den Vorsitz der AfB übernehmen konnte.
Es hatte sich bereits lange vorher eine Gruppe von Gewerkschaftsvorsitzenden im obersten Stockwert des Kurt-Schumacher-Hauses getroffen, motiviert und mit Argumenten versehen durch ihre Ehefrauen, die Lehrerinnen waren. Sie gründeten die Initiative „Eine Schule für alle“, die schon vor der Initiative für die sechsjährige Primarschule scheitern sollte.
Nun war der damalige AfB-Vorstand, vertreten durch den Vorsitzenden Günter Pumm im Arbeitskreis Schule der Fraktion, von der Amtsführung der damaligen SPD-Schulsenatorin enttäuscht, die in diesem Arbeitskreis und auch sonst Zeichen von Überforderung zeigte. Da der damalige AfB-Vorstand früher als andere erkannte, dass die Wahl 2001 für die SPD verloren gehen würde, und sich in der Opposition eine Position wie die der Volksinitiative in der SPD durchsetzen würde, ging der Übergang zum nächsten Vorstand mit Gerhard Lein an der Spitze reibungslos von statten.
Einer der wenigen Verfechter des neuen Vorstands, der anwesend war: Peter Pape.
Vom Vorstand 1999-2001 nur der Vorsitzende.
Vom Vorstand ab 2001 keiner, auch kein weiterer ehemaliger AfB-Vorsitzender.
Man sieht, selbst die Hamburger Bildungs-und Schulgeschichte, schlägt überraschende Volten.
Heute in Zeiten des Schulfriedens bekräftige ich zum Schluss meine Position: Eine Schule für alle ist erstrebenswert. Allerdings eine so gewaltige Reform, dass sie angesichts der wohl immer noch im Schulbereich vorherrschenden Normen und Verhaltensmuster mit dem vorhandenen Personal in Schulen und Administration noch nicht machbar sein dürfte. Am schwersten dürfte die Umsetzung in den großen Städten sein. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass eine Generation von Pädagogen und Funktionsträgern kommt,vielleicht schon z.T. da ist, die ambitionierte pädagogische Ziele professionell mit der gesellschaftlichen und schulischen Realität vermitteln kann, dafür die angemessenen Rahmenbedingungen schafft und schulunverträgliche gesellschaftliche Verhaltensmuster nachhaltig zu verändern sucht.