Montag, 12. November 2012

Ties Rabe und die symbolische Reform des Hamburger Abiturs 2013/2014


Ties Rabe wird zu diesem und anderen schulpolitischen Themen meist eher wohlwollend interviewt, z.B. Welt online 6.11.2012“Der Fahrplan zum neuen Hamburger Abitur“. Das überrascht nicht, denn er zählt  zur journalistischen Zunft. Aber es ist für Nicht-Insider auch kaum mehr möglich, das bildungspolitische Spiel so zu durchschauen und zu beherrschen, dass eine massive Kritik möglich wäre.
1.Bemerkung: Als KMK-Vorsitzender sollte man schon, wenn man das Amt Ernst nimmt, einen Reformvorstoß unternehmen. Zentralisierung des Abiturs, und sei der Schritt noch so bescheiden, ist dafür geeignet, weil sie Leistungsorientierung und Vereinheitlichung angesichts der föderalisitischen Unübersichtlichkeit signalisiert.
2.Bemerkung: Ties Rabe hat mit seinem Vorstoß in der KMK, dem weitere fünf Bundesländer gefolgt sind, optimal zur Verwirrung beigetragen. Damit immunisiert er sich ein Stück mehr gegen Kritik, denn Bürger und Medien können das hanseatische Abitur noch weniger als schon vorher durchschauen.
 Übrigens ist weniger die Vorgabe von partiell einheitlichen Abiturthemen entscheidend, sondern die Bewertung durch die Kurslehrer, deren Spielraum trotz aller Lernzielebenen etc. erheblich bleiben wird.
3.Bemerkung: Ties Rabe hat Hamburg und sich selbst als Reform-Vorreiter  für eine Vereinheitlichung des Abiturs profiliert. Was denkt der wohlmeinende Betrachter? „Ein wahrer Reformer  dieser Senator“ und „dann müssen die Hamburger doch eher gut sein“, wenn sie sich die Vereinheitlichung erlauben können.
 Aber: Hamburg liegt bei fast allen empirischen Untersuchungen im letzten Drittel.
4.Bemerkung: Rabes Vorstoß ist ein gelungenes Beispiel für symbolische Politik, denn diese Reform betrifft nur etwa 15-20 Prozent der gesamten Abiturnote, da die Note im wesentlichen bestimmt wird durch die Summe aller Kursnoten in der Oberstufe. Die Notengebung dort zu evaluieren und vergleichbar zu machen, etwa gar zwischen Stadtteilschulen und  leistungsorientierten Gymnasien, daran würde sich der Schulsenator glatt verheben. Dies geht übrigens wohl auch angesichts der Profiloberstufen methodisch  und mit vertretbarem Aufwand gar nicht.
5.Bemerkung: Mit begleitenden Maßnahmen Reformen  in Richtung Zentralisierung des Abiturs zu entschärfen, ist taktisch clever. 
Vor kurzem hat der Senator zur Freude der in den Oberstufen tätigen Lehrer das Korreferat im Abitur faktisch abgeschafft. Eine zeitraubende, unangenehme Aufgabe, die im Arbeitszeitmodell des v.Beust-Senats nicht berücksichtigt wurde. Aber: ein bescheidenes Korrektiv gegen zu gutes Zensieren der eigenen Kursschüler ist damit weggefallen.
Wir sollten  Verständnis für den Reformvorstoß des Senators haben, insbesondere weil man durchaus behaupten kann, er ginge in die richtige Richtung. 
Versetzen wir uns in die Rolle des Schulsenators und seiner höheren Schulbürokratie: Positive Schlagzeilen, gerade auch für die Stadt, sind in der Bildungspolitik gar nicht so leicht zu bekommen , außerdem muss man im Politikbetrieb ständig etwas vorzeigen und die Negativmeldungen kommen von ganz allein..



Freitag, 19. Oktober 2012

Personelle Konsequenzen des großen Grundschultests 2011 in Hamburg?


Als Kommentar zu einem Artikel der Hamburger Morgenpost findet sich  die Stellungnahme eines ehemaligen Hamburger Schulleiters, der die generelle Ablehnung von Tests ohne methodische Argumente speziell zu dieser Untersuchung vorträgt, wie sie die  Hamburger GEW seit Beginn der empirischen Untersuchungen in Hamburg  und der Pisa-Untersuchungen stets vorgetragen hat.
Es sind die Rückzugsgefechte der pädagogischen Akteure in Hamburg, die mit ihren pädagogischen Ansätzen in der Realität der Hamburger Schulen gescheitert sind. Das gilt übrigens nicht nur für ihren Ansatz einer Pädagogisierung des gesamten Schulsystems, mit dem sie insbesondere die Gymnasien erreichen wollten. Die dabei angestrebten und hoffentlich auch erreichten methodischen Verbesserungen sind dem Gymnasialunterricht sicherlich zu Gute gekommen. Sie wurden mit gewaltigem Einsatz  und intensiven Fortbildungsmaßnahmen für gesamte Gymnasialkollegien durchgezogen.
Dabei wurden fachdidaktische Konzepte  von Fortbildung  auch für die Gymnasien völlig beiseite gedrängt und auch ihrer organisatorischen Basis im damaligen  Institut  für Lehrerfortbildung beraubt.
Der Witz  des großen Grundschultests 2011: Die Anhänger der flächendeckenden „Pädagogisierung“ der weiterführenden Schulen erleiden in ihrem ureigensten Feld, der Grundschulpädagogik eine schwere Niederlage, wenn der Unterricht bei Mathematik-Fachlehrern der Grundschulen wirklich so viel erfolgreicher ist als bei den „pädagogischen Allroundern“. Hamburg hatte beim fachfremden Mathematikunterricht in der Grundschule mit 48 Prozent den Spitzenplatz und bei den Ergebnissen den drittletzten Platz unter sechzehn Bundesländern.
Übrigens müssen die Ergebnisse dieses Tests nun endlich einmal personelle Konsequenzen haben: die Verantwortlichen müssen ihre Funktionen verlieren, Schulaufsichtsbeamte und Schulleiter  sollten wieder die Chance erhalten, „hart am Kind“  ihre dort hoffentlich größeren Fähigkeiten zum Tragen zu bringen. Wenn die Schulinspektion auf diese Schwächen nicht hingewiesen hat, sollte sie personell  umbesetzt werden und einen anderen, erweiterten Auftrag erhalten.
Die Fachdidaktik muss ihren angemessenen Platz erhalten.
Ständige Hiobsbotschaften aus dem Hamburger Schulsystem  und die Funktionsträger sitzen weiter warm und trocken auf ihren gut besoldeten Stellen! Das ist ein Teil der  Hamburger Misere.
Nun sollten wir  die Schonung auch auf einem anderen Feld beenden: Die Grundschullehrerinnen in Hamburg, etwa 80 Prozent weibliche Lehrkräfte, versagen offensichtlich mindestens partiell oder setzen die Rahmenbedingungen nicht durch, die ihnen ein besseres Arbeiten ermöglichen würden. Sie sind übrigens, soweit ich sehe, bundesweit die am besten bezahlten Lehrerinnen für die Grundschule.
Die Frankfurter Rundschau brachte übrigens eine lesenswerte ausführliche Darstellung der Grundschulstudie 2011.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Der große Grundschultest 2011: Hamburgs drittletzter Platz


Der drittletzte Platz für Hamburg  beim Grundschultest 2011 vor den anderen Stadtstaaten. Bayern ganz vorn. Das läßt für die Zukunft wenig Gutes erwarten.
Diesmal können die Ergebnisse wieder einmal nicht schön gerechnet werden, was merkwürdigerweise bisweilen das deutliche Bestreben eines Teils der hanseatischen Presse ist, allen voran des Hamburger Abendblatts.
Eigentlich haben wir seit langen Jahren bei PISA, IGLU ,TIMSS  und in Hamburg schon vorher mit den Lernausgangslagenuntersuchungen im Prinzip ähnliche Befunde und dieselben Antworten der Politiker, die offensichtlich die Ist-Situation nicht wirklich verändern wollen oder können.
Wenn Marianne Demmer vom deutschen Lehrerverband in Bild zum Grundschulbericht 2011 erklären kann, es fehle eine ordentliche Ursachenforschung, dann fragt sich der Bürger, in welchem Tollhaus dies alles  seit Jahren  in aller Ruhe abläuft.
Auf einer Seite berichtet das Abendblatt mit großem Bild des Schulsenators, aber es kommt kein  einziger Lösungsvorschlag. Es sei denn man wollte die  eindimensionale Stellungnahme der Fraktionsvorsitzenden der Linken in der Hamburger Bürgerschaft, Schule müsse Spaß bringen, als solche werten. Dieses Versatzstück der bildungspolitischen Debatte wird schon seit mehr als zwanzig Jahren mit Begeisterung präsentiert.
Kürzlich kündigte die Schulbehörde denn doch an, sie wollte mehr Mathe-Lehrer in der Grundschule einsetzen. Wo kommen die bloß so plötzlich her?
Dabei kann man die schwache Position der Stadtstaaten nicht einmal von der Farbe der dortigen Regierungen abhängig machen: in Bremen  und Berlin  die  SPD in den letzten zehn Jahren mit wechselnden Koalitionen, in Hamburg von 2001 bis 2010 CDU- oder CDU-geführte Regierungen.
Der Hamburger Schulsenator ist in diesem Fall zunächst aus dem Schneider, weil ihm Ergebnisse von 2011 noch nicht angelastet werden können.

Mittwoch, 22. August 2012

Bildungsmonitor 2012 –ein Erfolg für Hamburg?


Hamburger Abendblatt online v.15.8.2012  Aufmacher im Hamburg-Teil:
„Ranking: Bildungssystem in Hamburg stark verbessert.“
Untertitel: “Hansestadt liegt im  deutschlandweiten Vergleich auf Platz 8 unter den 16 Bundesländern. Doch es gibt noch Bereiche, wo Hamburg schwächelt.“

Bei der letzten Pisa-Untersuchung stand Hamburg unter den Bundesländern noch ziemlich  hinten, bis auf einen Teilaspekt in Englisch. Also ist dieser Artikel ganz offensichtlich als Erfolgsmeldung für Hamburg  gedacht.
Zunächst bewundere ich den journalistischen Mut, derartige Studien  wie den Bildungsmonitor mit 112 Indikatoren, einer Verbindung von Schul- und Hochschul-Ranking und über 200 Seiten, die seit 2004 jedes Jahr erscheinen, für die Tagespresse auszuwerten. Darin steckt sicherlich keine Hybris, sondern eher journalistische Notwendigkeit. Ich vermute auch den  wie auch immer motivierten Willen, für Hamburg positive Meldungen  auf dem Bildungssektor zu liefern, der ja ein ganz wichtiger Standortfaktor ist.
Die Initiative soziale Marktwirtschaft gibt den Report seit 2004 in Auftrag, das  IdW  erarbeitet ihn. Für Methodenkritik ist hier nicht der Platz.

Was liefert eine  kurze Beschäftigung mit dem Thema:

1. Man hätte z.B. erwähnen können, dass Hamburg 2004 noch  auf Platz 4 lag, mit deutlichem Abstand auf BW, Ba, und Sachsen.
2. Hamburg lag 2011   sogar auf dem 14. Platz, nicht wie im Artikel  berichtet auf Platz 11. Platz 11 nahm es im Bildungsmonitor 2010 ein. Dieser Sprung  von 2011 auf 2012 ist nur in der Platzierung gewaltig.
Diese beiden Informationen zusammen  hätte man etwas zugespitzt als deutlichen Abstieg unter Ole v. Beust zusammenfassen können, so man auch die ersten Jahre des Bildungsmonitors im Auge gehabt hätte. Ich wäre da allerdings sehr vorsichtig gewesen und hätte das nicht getan.
3. Man hätte für die Leser des Hamburger Abendblatts, die in der Regel bildungspolitisch sehr interessiert sind, aber keine Bildungsexperten, ganz deutlich schreiben müssen, dass diese Untersuchung mit dem Pisa-Ranking gar nichts zu tun hat und auch nicht vergleichbar ist.
4. Noch etwas deutlicher als geschehen hätte man herausstreichen können, dass  die Plätze von 4 bis 13 relativ eng zusammen liegen, während die ersten drei  sich doch jeweils relativ stark absetzen. Das gilt auch für einige Vorjahre.

Sonntag, 17. Juni 2012

Hochschulpolitik in Hamburg: UNI Hamburg wie bisher keine Exzellenz-Universität


In den  Hamburger Medien findet eine ernstzunehmende  hochschulpolitische Debatte kaum statt. Nur die finanziellen Forderungen des Präsidenten der Universität Prof. Dr. Lenzen und die Antworten der Senatorin und der Fraktionen  sind bisweilen zu vernehmen.
Nun können wir gespannt sein, was der Präsident unternehmen will, um die Qualität der Hamburger Universität so weit zu verbessern, dass sie eine Chance  hätte, unter die Exzellenz-Hochschulen aufgenommen zu werden. Es kann doch nicht nur am Geld liegen.
Oder sieht er realistischerweise gar keine Möglichkeit, dann sollte er der Öffentlichkeit klaren Wein einschenken.


Montag, 6. Februar 2012

Abiturquote 2011 in Hamburg über 50 Prozent-ein schulpolitischer Erfolg?


In 2011 machten 50,6 Prozent der Hamburger Schüler Abitur, nur 7,0 Prozent verließen die Schulen ohne Abschluss.

Schulsenator Ties Rabe feiert dies als großen bildungspolitischen Erfolg.

Selbst die Bürgerinitiative „Wir wollen lernen“ schließt sich dem an, wenn auch mit dem Hinweis, dies sei noch dem alten dreigliedrigen Schulsystem geschuldet. Demnächst würden jedoch die Schwächen des nunmehr eingeführten zweigliedrigen Systems offenbar werden.

Dem Hamburger Abendblatt waren diese Meldungen aus der Hamburger Schulbehörde am 18.1.2012 einen Aufmacher auf der ersten Seite wert. Auch die übrigen Hamburger Zeitungen übernahmen die positiven Verlautbarungen aus der Schulbehörde.

Hamburg liegt mit der Abiturquote in der Spitzengruppe der Bundesländer, mit der Abbrecherquote liegt es ganz hinten.

Allerdings gibt es wenig Gründe anzunehmen, die gemeldeten statistischen Werte seien ein Gradmesser für die Qualität des Hamburger Bildungswesens. Die Leistungsfähigkeit der Schüler muss sich keinesfalls verbessert haben.

Abiturquote und Abbrecherquote sind strategisch beeinflussbare Größen. Wenn es gelingt, die Schulleiter für statistische Verbesserungen zu gewinnen, die gleichzeitig dem Image ihrer Schule dienen, und dies ist in beiden Fällen der Fall, dann finden sich die Stellschrauben, um den gewünschten Erfolg zu erzielen.

Schulleiter waren und sind in Hamburg immer schon und auch heute überwiegend flexible und kommunikativ kompetente Persönlichkeiten, denen es u.a. über Jahrzehnte gelungen ist, Fälle von Schülergewalt und Drogenkonsum erfolgreich unter den Teppich zu kehren, aber auch ihre Schulen geschickt nach außen „zu verkaufen“.

Hinreichenden Einblick könnten möglicherweise mikropolitische Studien über Schulen bringen. Haben wir die vom Fachbereich Erziehungswissenschaft der Hamburger Universität zu erwarten?

Ein Beispiel für eine "Stellschraube": Die Facharbeit im Abitur kann eine interessante, wissenschaftliche Kompetenz fördernde Innovation sein. Gleichzeitig können Lehrer mit viel „Anregung“ und wohlwollender Zensierung mit ihrer Hilfe die Abiturnote günstig beeinflussen.

Mittwoch, 1. Februar 2012

Die EU in der Didaktik der Politik


Die komplizierten EU-Institutionen, die komplexe EU-Politik auf den verschiedenen Politikfeldern und die Finanzierung der EU sind nur schwer so zu vermitteln, dass Akzeptanz für Europa erhalten bleibt oder geschaffen wird.

Didaktikern, soweit es sie überhaupt noch gibt und sie sich mit diesem Thema beschäftigen, kommt schon angesichts der erheblichen Schwierigkeiten bisweilen der Gedanke, man sollte vielleicht die Vermittlungsversuche ganz einstellen, ehe man politisch kontraproduktiv tätig wird.

Die Bundeszentrale für Politische Bildung hat in ihrer Reihe „Informationen zur politischen Bildung“ stets Themenhefte über die EU herausgegeben, die meistens für Schüler der Oberstufe sprachlich recht schwierig waren, da sie auch für Multiplikatoren gedacht waren.

Mit einem Problem taten sich diese Hefte besonders schwer: Das war die Finanzierung des EU-Haushalts. Es hat so weit überschaubar nie ein Heft gegeben, in dem die jährlichen Nettobeiträge der EU-Länder für den EU-Haushalt zusammengestellt waren.

Dies war sicherlich kein Zufall, denn man befürchtete zu Recht, dass die Schülerinnen den deutschen Anteil als unangemessen hoch bewerten würden. Also ließ man die Zahlen weg.

Übrigens geht es den übrigen Bürgern auch nicht viel besser: Im Moment gibt es erkennbar die Sprachregelung, bloß jetzt nicht auch noch in den Medien öffentlich über die zukünftige Finanzierung des Haushalts und den deutschen Anteil reden.